Montag, 30. März 2009

Mein Rat: Melden Sie sich nur bei ernsthaftem Interesse

"... sicher haben Sie schon einmal kalkuliert, was ein funktionierendes Ideenmanagement in Ihrem Unternehmen für ein Potenzial haben könnte [Ja, habe ich. Schliesslich bin ich seit über 6 Jahren Ideenmanager.]
"... für Ihr Unternehmen eröffnet sich ein betriebswirtschaftliches Potenzial aus dem Ideenmanagement in Höhe von über 462 Mio. EUR." [Danke dib. Da wird die Beratungsfirma froh sein, das nicht selbst erheben zu müssen.]

Mit diesem Text erhalte ich ein Schreiben der ILTIS GmbH [Übrigens, in meinem Team bin ich nicht der einzige, dem dieses Schreiben zugestellt wird.]

Der Absender beschreibt zudem einige Beispiele, die dafür verantwortlich sind, dass wir statt 462 Mio. EUR im 2008 nur 6 Mio. CHF erwirtschaftet haben:
- Ideen würden verwaltet und Gestaltungspotenzial werde bei Einreichung eingeschränkt
- Liegezeiten der Idee seien zu lange
- die Führung definiere Ideen als Kritik, die Anonymität sei nicht ausreichend gewahrt
- das Prämiensystem sei zu kompliziert und wenig attraktiv

Zugegeben, das Schreiben hat zumindest die richtige Abteilung im Unternehmen gefunden. Allerdings ist das nicht die Unterstützung, die mich weiterbringt. Erstens sind die obigen Beispiele allgemein bekannte Hindernisse, die aus der Ideenmanagement Literatur entnommen werden können oder auch in Diskussionen un-engagierter IdeenmanagerInnen zu hören sind. Sie widerspiegeln wenig Nähe zur Praxis. Gerne kommentiere ich kurz das Ideenmanagement bei uns bezüglich der vier obigen Punkte.

- "Alles was der Post einen Nutzen bringt ist eine Idee" lautet die einfache uneingeschränkte Ideendefinition und der Zugang zum Ideensystem ist unter den 9 Top-Links im Intranet prominent platziert - also keine Einschränkung bei Einreichung.
- Einverstanden, mit ca. 60 Tagen dauert die durchschnittliche Durchlaufzeit lange. Andererseits widerspiegelt sie die Kultur in einem Traditionsunternehmen gut und verglichen mit anderen Aktivitäten und Projekten, kann ich damit leben. Immerhin schliessen wir jährlich ca. gleich viele Ideen ab, wie eingereicht werden.
- Die Führung nutzt das Ideenmanagement nicht, um ihre gesetzten Ziele zu erreichen. Die Führung muss verstehen, dass Ideen Holschuld sind. Dies zu vermitteln ist wichtiger, als die Führung in ihrer Wahrnehmung belehren zu wollen. Bezüglich Anonymität gibt es zu bemerken, dass nicht offen und transparentes Ideenmanagement möglich ist, wenn Anonymität zugelassen wird.
- CHF 100'000 zu kassieren erachte ich als attraktiv und auch die Einfachheit ist bei uns gegeben: Bis CHF 2'500.- Einsparungen gibt es jeweils einen fixen Betrag, was darüber liegt wird mit 20 % der Erstjahreseinsparung prämiert. Zudem ist in der Abstufung 100-, 50- und 0-prozentige Zuständigkeit zu definieren. Das ist alles.

"Sie erhalten ein Management-Summary mit der Bewertung der Optimierungspotenziale." lautet das Angebot im obenerwähnten Schreiben schliesslich. Da ich aufmerksam genug war, habe ich auch den Briefkopf gelesen: "Damit aus Strategien Handeln wird".

Was ich von einer Kontaktaufnahme der ILTIS GmbH erwartet hätte, ist ein ernsthaftes Interesse am Thema Ideenmanagement in meinem Unternehmen, die Bereitschaft zu einem engagierten Dialog und schliesslich den Ausweis, dass aus Strategien tatsächlich Handeln wird.

Die ILTIS GmbH hätte sich mindestens ein Schreiben sparen können und in der Akquisition sehe ich durchaus Potential - vielleicht hätte sie ein Ideenmanagement oder die Beratung dazu nötig?!

4 Kommentare:

Michael Wolf CEO ILTIS GmbH hat gesagt…

Sehr geehrter Herr Künzi,

erst einmal herzlichen Dank für Ihre Offenheit und Ihre offen Botschaften.
Schade, dass wir Ihnen aus Ihrer Sicht keinen engagierten Dialog anbieten und, mehr noch, keinen Nachweis erbringen, wie aus Strategien Handeln werden kann.

Doch eines scheint gelungen zu sein. Sie setzen sich mit uns, den Vorschlägen und Ihren Lösungen in Ihrem Blog auseinander.
Sie treten sehr offensiv den Beweis an, dass Ihr Ideenmanagement funktioniert und eigentlich mehr nicht bringen kann.

Für uns klingt durch, dass Sie sehr wohl noch auf der Suche sind, Ihr System zu optimieren, um ansatzweise folgende Unterschiede zu verkleinern oder zumindest zu erklären. Positiv stimmt uns, dass Sie der Frage nach dem Potenzial zustimmen.

Die Deutsche Post AG realisiert bei 150.000 Mitarbeitern (520.000 weltweit) ein Gesamtpotenzial von 257 Mio. EUR (in 2007).
Die Schweizerische Post realisiert nach Ihren Angaben bei 58.067 Mitarbeitern ein Gesamtpotenzial von 6 Mio. CHF (knapp 4 Mio. EUR).

Wir haben sehr wohl verstanden, dass wir Sie als Kunden verloren haben. Aber nehmen wir mal an, wir würden mit Ihnen gemeinsam so einen Quickscan starten (werter Herr Künzi, bei Ihrer Erfahrung gehen wir davon aus, dass Sie vieles von dem schon analysiert haben und wir schreiben das nach dem Motto „Was wäre, wenn“).
Wir würden Zusteller und Verteiler fragen, wie groß ist der Aufwand ist, ins Intranet etwas einzugeben und welche Vorteile es hätte, die Idee im Dialog mit den Führungskräften zu erfassen. Das wäre ja eine Brücke zu Implementierung der Holschuld der Führung. Ebenso würden wir Ihre Führungskräfte mit in das Ideenmanagement integrieren. Wir würden den Zielvereinbarungsprozess mit dem Ideenmanagementprozess verbinden. Als Ferndiagnose sei die Vermutung erlaubt, dass Ihre Führung ein mentales Modell pflegt: Ideen der Mitarbeiter sind ein Spiegel der eigenen Führungsleistung. Viele Ideen sind ein Indiz für vermeintliches Missmanagement. Ein anderer Weg könnte die Installation eines Führungskräftefeedbacks sein, verbunden mit dem Kriterium "schafft Räume für gute Ideen". Spätestens bei diesem Punkt erkennen viele Ideenmanager, dass der Prophet im eigenen Lande wenig bewirkt. Wir versuchen daher, in dem Quickscan ein Ursachen-Wirkungsmodell auszuarbeiten, dass allen die Stellhebel bildhaft transparent macht.
In der Konzeptionsphase würden wir zudem versuchen, alle Stellhebel zu identifizieren, um die Liegezeit auf 30 Tage reduzieren, und das neue Setup zu simulieren.

Dieser kleine Einblick in unsere Arbeit verdeutlicht vielleicht ein wenig, das wir am Prozess und Verhalten der notwendigen Veränderung ansetzen. Natürlich machen wir an dieser Stelle nicht alle Erfolgsrezepte unserer Beratung transparent.
Selbstkritisch haben Sie für uns den Finger in eine Wunde gelegt: Einen Ideenmanager zu überzeugen ist eigentlich unmöglich, denn der Anspruch, die Idee für alle Lösungen im Rahmen des Ideenmanagements selbst zu entwickeln, ist wesentlich stärker ausgeprägt als bei vielen anderen Zielgruppen in der Beratung. Der Anspruch ist, konkrete Ideen mit Anleitung zur Umsetzung zu bekommen. Und der monetäre Einsatz sollte dabei gegen 0,- gehen. Für diesen Hinweis möchten wir uns explizit nochmals bedanken.
In jedem Fall bringen wir Deutschen in der Schweiz in diesen Zeiten manchmal etwas durcheinander und immer hat es mit Geld zu tun. Eine weitere „lessons learned“ aus Ihrem Schreiben könnte sein, Sie nicht mehr anzuschreiben.

Wir wünschen Ihnen alles Gute und viel Erfolg bei der Implementierung.



Mit freundlichen Grüßen

Michael Wolf
CEO
ILTIS GmbH
mailto: Michael.Wolf@iltis.de
www.iltis.de
www.4managers.de

Martin hat gesagt…

Guten Tag Herr Wolf

Ihr engagiertes Schreiben hat mich sehr gefreut. So haben wir doch gegenseitig das Interesse an der Thematik in einer ganz neuen Dimension wecken können.

Das Angebot des Quickscans behalte ich mir sehr gerne warm und gestehe Ihnen zu, dass die Deutsche Post tatsächlich deutlich höhere Einsparungen ausweist und auch in Sachen eingereichte Ideen eine Liga höher spielt.

Da ich Herrn Raffel, den Ideenmanager der Deutschen Post persönlich kenne, kann ich die unterschiedliche Leistung gut einordnen - gebe aber zu etwas neidisch zu sein ;-)

Zum Thema "der Prophet im eigenen Land" gebe ich Ihnen gerne recht. Aussenstehende haben es tatsächlich einfacher, als die eigenen Leute. Das stelle ich auch fest, wenn ich selbst in anderen Unternehmen unser Ideenmanagement vorstelle und beratend unterstütze.

Tatsächlich arbeiten auch wir von Zeit zu Zeit mit externen Partnern zusammen und ich würde heute nicht behaupten, dass Iltis - dank dem zustandegekommenen Dialog - nie ein Thema sein wird.

Zum Thema Geld, das Sie ansprechen, bin ich in der glücklichen Lage, dass Postidea - so heisst unser Ideenmanagement - in den letzten Jahren zünftig zugelegt hat und mir ein anständiges Budget zur Verfügung steht. Gerne bin ich bereit in lohnende Projekte zu investieren.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg in der kommenden Zeit und freue mich auf einen weiteren gelegentlichen Dialog.

Martin Künzi

Fritz Wilhelm hat gesagt…

Also, dass ein Unternehmer derart offen auf eine Kritik an einem Serienbrief reagiert - Hut ab, Herr Michael Wolf! Für mich ist das ein Grund, mir Ihren Namen und Ihre Firma positiv zu merken.
Natürlich kenne ich den Brief nicht wörtlich, so wie er sich hier darstellt, hätte ich ihn auch so auf die Schnelle heruntergetippselt. Zumal - und das sieht jeder, der ein bisschen ins Thema schnuppert - das die Standardprobleme jeden IM, BVW, KVP und aller sonstiger mitarbeiterInnen-orientierten Managementsysteme sind - einschließlich EFQM ..

Wenn mich heute wer fragt, woraus sich die Differenzen im Erfolg (ich sage lieber: in den Absolutwerten) zwischen Deutscher und Schweizer Post ergeben, würde ich ad hoc auf die unterschiedlichen Strukturen (zB DHL, Postbank) hinweisen und auf das Alter der entsprechenden Organisationskultur: Günter Raffel und Walter Scheuerle arbeiten seit sehr viel Jahren an dieser Kultur, Martin Künzi hat in - zumindest soweit mir bekannt - weit geringerer Zeit den Weg in diese Kultur angetreten - und mit Methoden, die ich mir gerne abkupfern würde, seine FK jedenfalls zu Interessierten gemacht.
Das Problem der externen Berater ist aus meiner Sicht, dass sich die Vorschlagswesen untereinander oft recht gut kennen ... ;-)

Martin hat gesagt…

Willkommen Herr Wilhelm

Ihren Beitrag zur hiesigen Diskussion weiss ich zu schätzen. Der wohl bedeutendste Unterschied zwischen der Schweizer und der Deutschen Post sind die Zielvorgaben für die Top-Kader im Ideenmanagement.

Unser Ideenmanagement hat in den letzten Jahren zunehmend an Management-Attention gewonnen, doch arbeiten wir stark dezentral, mit Linienvorgesetzten und Teams vor Ort und können nun allmählich die wachsenden Erfolge dem Management präsentieren.

Gelernt habe ich, dass Ideenmanagement kein Selbstläufer ist und dass IdeenmanagerInnen hart am Wind segeln müssen.

Ich wünsche dazu viel Ausdauer!

Martin Künzi